Kühlende Feuerspeier

Vulkanausbrüche bremsen Klimawandel

Vulkane beeinflussen das Klima auf der Erde – und zwar stärker als bisher angenommen, wie ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig herausgefunden hat: Während man davon ausging, dass nur die Gase starker Vulkanexplosionen die Strahlung der Sonne abschwächen, entdeckten die Wissenschaftler nun, dass auch kleinere Explosionen die Erde kühlen. Diesen Vulkanausbrüchen sei zu verdanken, dass Treibhausgase die Erde in den letzten Jahren nicht so stark aufheizten wie erwartet. Ob der kühlende Effekt in den nächsten Jahren anhalten wird, ist unklar. Fest steht aber, dass die Erwärmung der Erde durch Treibhausgase die Wirkung der Vulkane früher oder später einholen wird, da die Konzentration der klimafeindlichen Gase noch immer zunimmt.

Dem natürlichen Treibhauseffekt verdanken wir unser Leben. Denn ohne ihn läge die durchschnittliche Temperatur auf der Erde nicht bei plus 15, sondern bei minus 18 Grad Celsius und damit jenseits von dem, was wir optimale Lebensbedingungen nennen. So funktioniert’s: Während die Sonnenstrahlen auf die Erdoberfläche treffen und diese erwärmen, wird ein Teil der Energie in Form von Infrarotstrahlung reflektiert, also wieder in Richtung Weltraum zurückgeworfen. Gase wie Kohlendioxid, Wasserdampf und Ozon halten einen Teil dieser Strahlung in der Atmosphäre, sie fällt auf die Erde zurück und erwärmt den Planeten – ähnlich wie in einem Treibhaus. 

Gase beeinflussen Klima

Die Konzentration des Kohlendioxids – dem bedeutendsten Treibhausgas – wird durch den natürlichen Kreislauf des Gases im Gleichgewicht gehalten: Kohlendioxid entsteht vor allem bei der Zersetzung von Pflanzen und durch die Atmung der Tiere. Es gelangt in die Atmosphäre und wird durch die Photosynthese wieder in Pflanzen eingebaut oder aber im Meerwasser gelöst. Problematisch wird es, wenn dieser natürliche Kreislauf ins Wanken gerät – durch künstlich in Umlauf gebrachte Gase: Seit der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts produziert der Mensch tonnenweise Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan und Fluorkohlenwasserstoffe, die sich in der Atmosphäre anreichern und dort noch mehr Sonnenwärme zurückhalten. Die Folge: der drohende Klimawandel.

Obwohl sich in der Atmosphäre immer mehr Treibhausgase ansammeln, ist die durchschnittliche Temperatur auf der Erde seit der Jahrtausendwende weit weniger gestiegen als erwartet. Eine Erklärung für diesen bisher noch nicht völlig verstandenen Effekt, fand jetzt ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig: Bei einem Vulkanausbruch werden nicht nur Partikel wie Staub und Ruß in die Atmosphäre geschleudert, sondern auch Schwefeldioxid. Während die Staubpartikel auf die Erde fallen und durch den Regen ausgewaschen werden, hat das Gas eine wesentlich längere Lebensdauer: Das Schwefeldioxid wird in der Atmosphäre oxidiert, dabei entsteht Schwefelsäure, aus der sich Aerosolpartikel bilden. Die werden bei starken Vulkanexplosionen über 15 Kilometer in die Höhe – in die so genannte Stratosphäre – katapultiert. Dort reflektieren die Aerosole die Sonneneinstrahlung, sie blockieren also den Weg der Sonnenstrahlen zur Erdoberfläche und beeinflussen so das Klima auf der Erde über mehrere Monate.

Klein, aber wirkungsvoll

„Diese kühlende Wirkung der Vulkane ist zwar schon seit Jahren bekannt“, erklärt Andreas Zahn vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das maßgeblich an der Studie beteiligt war. „Bisher kam man aber nie auf die Idee, den Effekt vulkanischer Aerosolpartikel unterhalb einer Höhe von 15 Kilometern zu untersuchen.“ Denn bis jetzt ginge man davon aus, dass diese Teilchen ziemlich schnell weggewaschen werden – also dass kleine Vulkanexplosionen, deren Aerosolpartikel die Stratosphäre nicht erreichen, keinen nennenswerten Effekt auf das Klima der Erde haben. 

Ob dem tatsächlich so ist, wollten die Forscher jetzt herausfinden. Dafür nutzten sie zwei unterschiedliche Messmethoden: Zum einen untersuchten sie mit einem zum Labor umgebauten Passagierflugzeug gesammelte Messwerte der unteren Stratosphäre in einer Höhe von neun bis 12 Kilometer. Diese auch als Tropopause bezeichnete Region ist die Übergangszone zwischen der feuchten Wetterschicht mit Wolken (Troposphäre) und der darüber liegenden trockenen wolkenfreien Stratosphäre. Diese Daten glichen die Wissenschaftler dann mit denen durch Satellitenbeobachtungen gemessenen Werte ab.

Dabei fanden die Forscher heraus, dass Vulkanausbrüche die Sonneneinstrahlung in der Tropopause zwischen 2008 und 2011 doppelt so stark abschwächten wie bisher angenommen. Zurückzuführen sei das vor allem auf drei Vulkanexplosionen: der Kasatochi auf den Aleuten in Alaska (USA) im August 2008, der Sarytschew auf den Kurilen vor Kamtschatka (Russland) im Juni 2009 und der Nabro in Eritrea am Roten Meer im Juni 2011. Die drei Feuer speienden Berge schleuderten schätzungsweise jeweils über eine Megatonne Schwefeldioxid in die Atmosphäre. „Die untere Stratosphäre ist damit für das Klima der Erde viel wichtiger als bislang angenommen“, so Zahn. Mit ihrer Studie dokumentierten die Forscher zum ersten Mal die Auswirkungen kleinerer Vulkanausbrüche auf das Klima der Erde. 

Gigantische Explosion

„Der kühlende Effekt von Vulkanen sei bisher völlig unterschätzt worden“, kommentiert Zahn die Ergebnisse der neuen Studie, die im renommierten Fachjournal Nature Communications erschienen ist. Wie stark Vulkane das Klima der Erde beeinflussen können, zeigte die Eruption des Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa im Jahr 1815: Die Explosion des Vulkans im April vor 200 Jahren sorgte für eine drastische globale Abkühlung, so dass das Jahr sogar als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte eingegangen ist. Während es in Amerika Schnee und Frost im Juli und August gab, versank Europa in massiven Regenfällen, viele Flüsse traten über die Ufer. Es folgten schwere Missernten und Hungersnöte. Die Explosion tötete über 60.000 Menschen, die Hungersnöte forderten in Europa weitere 200.000 Menschenleben. 

Schätzungen zufolge soll der Tambora 20 bis 240 Megatonnen Schwefeldioxid in die Luft gespuckt haben, die sich über die ganze Nordhalbkugel verbreiteten.  „Ein großer Vulkan kann die halbe Erde lahmlegen“, sagt Zahn. Ein Ausbruch wie der des Tamboras hätte heute wahrscheinlich noch gravierendere Folgen als damals, weil die Bevölkerungsdichte heute viel höher ist. Daher würden viel mehr Menschen von einer Explosion dieses Ausmaßes betroffen sein. „Vulkanexplosionen wird es immer geben“, erklärt Zahn, „nur kann man nicht vorhersehen, wann der nächste Vulkan ausbricht.“ Daher lässt sich schwer vorhersagen, wie sich das Klima auf der Erde in den nächsten Jahren entwickeln wird. 

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