Krisen trotzen

[Gehirn&Geist, 4/2020]

Zwei Bücher vermitteln Strategien, um an Resilienz zu gewinnen

Stress, Verluste und Niederlagen gehören zum Leben: Nahezu jeder Mensch wird im Lauf des Lebens einen Partner oder eine Arbeitsstelle verlieren sowie Krankheiten und Unfälle erleiden. Die Fähigkeit, solche Krisen zu bewältigen, nennen Psychologen Resilienz. Sie ist ein Produkt von Veranlagung, Prägung und Erfahrung. Die psychische Widerstandskraft lässt sich aber auch bewusst steuern – nicht indem man Symptome bekämpft, sondern indem man Ressourcen stärkt. 53 Wege, wie das gelingen kann, beschreibt die Psychiaterin Undine Lang in ihrem Buch.

Die Autorin und Direktorin der Klinik für Erwachsene und der Privatklinik der Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel erklärt anhand vieler Fallbeispiele, wie sich unsere Außenwelt, unser Verhalten und unsere Ansichten auf die psychische Gesundheit auswirken. Zum Beispiel haben Menschen, die in Städten leben, ein höheres Risiko für Angststörungen und Depressionen, während verheiratete Menschen weniger zu Depressionen neigen und länger leben als unverheiratete. Auch Religiosität kann vor psychischen Störungen schützen und den Heilungsprozess bei diversen Erkrankungen vorantreiben. Nicht zu unterschätzen sei ebenfalls die heilsame Wirkung von Hobbys sowie von Dankbarkeit, Neugier, Optimismus und Nachsicht mit uns selbst und anderen, so die Autorin. Sich auf positive Dinge zu fokussieren und sich nicht von Negativem in Beschlag nehmen zu lassen, sei eine der wichtigsten Fähigkeiten, um psychisch stabil und gesund zu bleiben.

Lang gelingt es, das Thema anschaulich, unterhaltsam und leicht verständlich zu präsentieren. Hunderte wissenschaftliche Studien bilden das Fundament des gut strukturierten Buchs, das fast wie ein Nachschlagewerk wirkt und dessen Kapitel unabhängig voneinander gelesen werden können. Es dürfte nicht nur für diejenigen eine Bereicherung sein, die erfahren möchten, wie man die eigene Resilienz stärken kann, sondern auch für alle, die beruflich mit Menschen zu tun haben, die in psychischen Krisen stecken. Schade nur, dass das Buch schlecht lektoriert wurde. So findet sich bereits im dritten Satz ein Fehler – bei Weitem nicht der einzige auf den insgesamt 267 Seiten.

Weniger umfassend, aber nicht weniger interessant ist das Buch von Rebecca Böhme. Die Neuropsychologin von der schwedischen Universität Linköping definiert Resilienz als die Erhaltung oder schnelle Wiederherstellung der psychischen Gesundheit nach einem traumatischen Erlebnis oder während widriger Lebensumstände. Ähnlich wie Lang beschreibt sie verschiedene Strategien, die unsere psychische Widerstandskraft stärken sollen. Zwar ähneln sich die Taktiken, Böhme konzentriert sich aber nur auf einige wenige und stellt dafür Übungen vor, die dazu dienen sollen, unsere Resilienz zu fördern. Zum Beispiel gibt sie Tipps zur Emotionsregulation in Stressituationen. Sie erklärt auch, was Stress eigentlich ist und was dabei im Körper passiert.

Während Lang sich auf die Stärkung der Resilienz im Erwachsenenalter konzentriert, geht es Böhme vor allem darum, wie sich die psychische Widerstandskraft bereits im Kindesalter fördern lässt. Denn die Kindheit und Jugend werden die Weichen für die Zukunft gestellt. In dieser Entwicklungsphase erlebte negative Erfahrungen können ihre Schatten auf ein ganzes Leben werfen, doch ebenso groß sind die Chancen, die psychische Widerstandsfähigkeit in dieser Zeit dauerhaft zu stärken.

Böhme betont, dass wir durch bestimmte Strategien zwar an Resilienz gewinnen können, als Individuum aber an unsere Grenzen geraten. Die psychische Widerstandskraft sei ebenso vom Umfeld mitbestimmt. Es sei also auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe, Grundlagen und Lebensumstände zu schaffen und zu fördern, die dem Menschen einen resilienten Umgang mit Krisen erleichtert.

Beide Autorinnen greifen ein viel diskutiertes, aktuelles Thema auf. Obwohl die Bücher sehr unterschiedlich sind, wird bei beiden klar: Obwohl wir oft keinen Einfluss haben auf die Dinge, die uns im Leben widerfahren, können wir dennoch aktiv an unserer psychischen Widerstandskraft arbeiten.

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