[Leipziger Zeitung, 14.08.2015]
Eiswolken sind die wahren Regenproduzenten, haben Wissenschaftler von der Universität Leipzig jetzt herausgefunden: Während der Regen über den Meeren und Tropen oft aus Flüssigwasserwolken fällt, stammt der Niederschlag über den Landflächen fast immer aus höher liegenden Eiswolken. Folglich regnet es über Land meist seltener, dafür aber stärker. Grund hierfür seien möglicherweise die Emissionen aus Verkehr und Industrie. Die jetzt im Fachjournal „Geophysical Research Letters“ erschienene Studie könnte dabei helfen, die Rolle menschengemachter Emissionen für die Entstehung von Regen besser zu verstehen und Wetter und Klima präziser vorherzusagen.
Regen fällt aus Wolken. Die bilden sich, wenn Wasser durch die Sonne verdunstet und als feuchte Luft in der Atmosphäre aufsteigt. Dabei kühlt sich der Wasserdampf ab, denn mit steigender Höhe fällt die Temperatur. Trifft der Wasserdampf in der Atmosphäre auf mikroskopisch kleine Schwebepartikel wie Feinstaub, kondensiert er an diesen sogenannten Kondensationskeimen zu Tröpfchen. Nach und nach sammelt sich das Wasser an und dabei entstehen die Regentropfen. Die sind irgendwann so schwer, dass die Aufwinde der Luft sie nicht mehr halten können. Dann fallen sie auf die Erde – es regnet.
Dieser „warme Regen“, also Regen, der sich in Wolken mit Flüssigwasser bildet, kommt v. a. in den Tropen vor – und da besonders über dem Meer. Über Land der mittleren Breiten spielt diese Art des Regens allerdings eine weniger wichtige Rolle. Hier steigt das verdunstete Wasser in kältere Höhen auf und gefriert dort zu Eiskristallen. Der Grund: Zum einen gibt es über Land weniger Wasser in der Atmosphäre als über den Ozeanen. Dadurch bilden sich die Regentropfen über Landmassen langsamer als über dem Meer. Zum anderen sind die Aufwinde der Luft über Land stärker, wodurch die Regentropfen höher steigen. Aber auch die Eiskristalle werden früher oder später so schwer, dass sie aus den Eiswolken zu Boden fallen. Dabei werden sie auf dem Weg zur Erde wieder flüssig und ergießen sich in heftigen Regengüssen.
„Dass der Regen meist aus Eiswolken fällt, wusste man zwar schon vor vielen Jahren“, sagt Johannes Mülmenstädt vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig. „Allerdings fehlten dazu bisher global betrachtet die Zahlen.“ Das heißt, bis jetzt war nicht bekannt, wie viel Regen tatsächlich von Wolken aus Eiskristallen stammt. Das habe auf das Wetter der Erde aber einen entscheidenden Einfluss. Daher hat der Forscher jetzt gemeinsam mit seinen Kollegen die Daten von drei Satelliten der NASA ausgewertet, die in fünf Jahren über 50 Mio. Regenwolken vermessen haben.
Diese erstmals flächendeckende Studie zeigte, dass weit mehr Regen von Eiswolken stammt, als bisher angenommen: Ganze 99 % des Regens über dem Land der mittleren Breiten fällt aus regenmachenden Eiswolken, v. a. aus Cumulus- und Cumulonimbus-Wolken (Haufen- bzw. Regenwolken). „Dieser hohe Prozentsatz hat uns erstaunt“, so der Meteorologe. Grund für den hohen Anteil seien vermutlich auch die menschengemachten Emissionen aus Verkehr und Industrie, durch die die Luft über dem Land zum Teil hundert- bis zweihundertmal mehr Schwebeteilchen enthält als die Luft über dem Meer. Durch sie bilden sich mehr und mehr kleine Wassertropfen in der Atmosphäre, die in größere Höhen aufsteigen und dort zu Eiskristallen gefrieren.
Über dem Meer dagegen nieseln immerhin bis zu 15 % des Regens aus flüssigen Wolken, wie die Wissenschaftler herausfanden. Das habe u. a. damit zu tun, dass die Atmosphäre über den Ozeanen weniger verschmutzt sei, also relativ wenige Schwebepartikel enthält. Daher kondensiert das Wasser an nur wenigen Sammelstellen, die Tropfen werden schnell schwer und fallen häufig als Nieselregen aus den Wolken. „Über Land entstehen deutlich mehr Eiswolken als auf offener See“, erklärt Mülmenstädt. Und weil sich diese deutlich langsamer als Flüssigwasserwolken bilden, regnet es aus ihnen zwar seltener, dafür aber umso stärker.
„Unsere Erkenntnisse könnten helfen, die Rolle des Menschen besser zu verstehen, die er bei der Entstehung von Regen spielt“, erklärt der Meteorologe. Dann ließen sich vielleicht auch die Wetterprognosen verbessern: Bisher sagten die Klimamodelle wesentlich häufigere, aber schwächere Regengüsse voraus als letztlich auftraten. Ein möglicher Grund dafür sei, dass man bis jetzt die Rolle der flüssigen Wolken überschätzte. „Da wir jetzt wissen, dass Eiswolken außerhalb der Tropen die ausschließlichen Regenmacher sind, lassen sich unsere Vorhersagen deutlich präzisieren“, meint Mümenstädt. „Aber das wird sicher nicht von heute auf morgen passieren.“